Wissensrisiken – Risiken aus Sicht des Wissensmanagements

Für viele Unternehmen ist der Begriff Risiko mittlerweile besonders bedeutsam geworden, da es heutzutage aufgrund neuer Gesetze und des ständig steigenden Wettbewerbdrucks für Unternehmen unerlässlich ist, einen effizienten und sicheren Umgang mit Risiken anzustreben. Banken und Versicherungen waren seit jeher die Vorreiter, wenn es um Risikomanagement als zentraler Aspekt der Unternehmensführung ging. Das Hauptaugenmerk lag in diesen beiden Branchen jedoch stets auf dem Umgang mit Risiken finanzieller Natur. Es existieren schon sehr viele erfolgreiche Methoden und Erfahrungswerte in diesem Bereich. Doch reicht das aus? Sind alle möglichen Risiken bereits bekannt, und kann man mit Ihnen umgehen?

Die Ereignisse rund um die Pleiten großer Vorzeige-Unternehmen und all die Flops des eBusiness-Hypes der letzten Jahre haben dazu geführt, dass das Thema Risikomanagement nun auch in beinah allen anderen Wirtschaftssparten hoch gehalten und bedeutsam geworden ist. Dies kann nicht zuletzt auch auf die Einführung des neuen Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (kurz KonTraG, § 91 AktG und § 290 HGB) in Deutschland zurückgeführt werden. Dieses Gesetz verpflichtet Vorstände zur konzernweiten Einrichtung und Betrieb eines angemessenen Risikofrüherkennungs- und überwachungssystems. Der Vorstand kann für den Fall, dass kein ausreichendes Überwachungssystem etabliert wurde, im Sinne einer Pflichtverletzung persönlich haftbar gemacht werden (gemäß § 93 Abs. 2 AktG). Es ist dadurch zu einer Ausweitung des traditionellen, finanzwirtschaftlichen Risikomanagements auf projektwirtschaftliche Risiken und Risiken aus Management und Organisation gekommen.

Ich habe diese Ausdehnung des Wirkungsbereiches von Risikomanagement als Motivation genommen um zu hinterfragen, ob es nicht auch noch andere, als die schon lange bekannten, direkt fassbaren, Risiken geben kann. Es steht natürlich außer Frage, dass nicht alle Risiken immer bekannt und leicht fassbar sind. Das ist immer von einer Vielzahl von Rahmenbedingungen abhängig (wie z.B. Branche, Unternehmensgröße/-organisation, Organisationstyp, Ziele, Marktsituation, etc.). Ich habe mir nun folgende Frage gestellt: Kann die Existenz und die Beschaffenheit von Risiken auch abhängig sein von der Art des Einsatzes von Wissen? Ich glaube ja.

Der Begriff der „Wissensrisiken“ wurde in Literatur und Praxis schon aufgegriffen, aber meiner Meinung nach, noch unzureichend definiert und weiter verfolgt. Probst und Knaese haben sich schon vor einigen Jahren mit diesem Thema beschäftigt und sehen aus Sicht des Wissensmanagements sog. „Wissensrisiken“ im Wissensabfluss in Unternehmen, bedingt durch Personalfluktuation und den falschen Einsatz des Personalmanagements. Sie unterscheiden vier Kategorien von Wissensrisiken: „personelle, sachlich-technische, organisatorische und marktbezogene Know-How-Risiken“ [PK98]. Im Ansatz von Probst und Knaese ist der Faktor Wissen zwar schon ein Kernthema, jedoch stehen hier die Wissensträger in Unternehmen und deren Handeln im Vordergrund. Themen wie Organisatorische Abläufe, Geschäftsprozesse, Technologie, etc. finden in diesem Ansatz nur wenig Berücksichtigung.

Zusammen mit meinen Co-Autoren Lindstaedt und Kraemer gelang eine erweiterte Definition des Begriffs Wissensrisiken: „Wissensrisiken sind Risiken, die sich auf einen Mangel von Wissen und Fertigkeiten, welche für die Durchführung einer geschäftsrelevanten Aktion notwendig sind, zurückführen lassen.“ [LKK04]. Wir sind der Ansicht, dass auch z.B. Störungen in der Kommunikation, fehlende Transparenz innerhalb eines Unternehmens und Technologieänderungen Wissensrisiken darstellen können. Sie entziehen sich bereits bei ihrer Erkennung oft den Methoden traditionellen Risikomanagements. So fließen in wissensorientiertes Risikomanagement Elemente aus dem klassischen Risikomanagement, Elemente (insbesondere Methoden und Erfahrungen) aus dem Wissensmanagement und Elemente aus dem jeweiligen Anwendungsgebiet mit ein. Ein derartiges Anwendungsgebiet kann z.B. Risikomanagement im Projektmanagement sein. [siehe Abbildung 1]

Wissensrisiken

Abbildung 1: Wissensrisiken

Ich unterstelle somit, dass Risiken direkt und indirekt von der Art des Einsatzes von relevantem Wissen abhängig sind. Geht man beispielsweise vom prozess-orientierten Wissensmanagement-Ansatz aus, in dem Wissensflüsse die Phasen „Generierung“, „Transfer“, „Speicherung“ und „Anwendung“ von relevantem Wissen [Heis01] durchlaufen, so komme ich zu folgender Hypothese: Wissensrisiken können entstehen, wenn bestimmte Muster von Lücken in dem oben genannten Wissensfluss-Modell auftreten. Dies ist natürlich abhängig vom jeweiligen zugrunde liegenden Kontext. Ein Beispiel dafür wäre, wenn ein System (technologisch oder organisatorisch) einen bestimmten Wissensfluss nur teilweise unterstützt, und nur die Generierung von bestimmtem Wissen und die Anwendung systemisch unterstützt und gesichert wären, nicht aber der Transfer und die Speicherung. Dies kann unter bestimmten Umständen ein erhebliches Risiko darstellen. Derartige Risiken sind wohl größtenteils indirekte, nicht sofort ersichtlich Risiken, eben auch Wissensrisiken.

Eine Erweiterung und Detaillierung dieses Ansatzes ist notwendig und wird folgen.

Weitere Artikel zum Thema „Wissensrisiken„: Wissensabfluss in Unternehmen – ein Wissensrisiko? Business Intelligence – Aktuelle Trends, Entwicklungen und Perspektiven

Literatur: [Heis01] Heisig, P.: Business Process oriented Knowledge Management – Methode zur Verknüpfung von Wissensmanagement und Geschäftsprozessgestaltung. in Proceedings of WM2001, 1. Konferenz Professionelles Wissensmanagement, 2001. [LKK04] Lindstaedt, S. N.; Koller S.; Krämer T.: Eine Wissensinfrastruktur für Projektrisikomanagement – Identifikation und Management von Wissensrisiken, KnowTech 2004, 6. Konferenz zum Einsatz von Knowledge Management in Wirtschaft und Verwaltung, München, 2004 Link [PK98] Probst, Gilbert J.B.; Knaese, Birgit: Risikofaktor Wissen, Dr. Th. Gabler Verlag, 1998 Link

2 thoughts on “Wissensrisiken – Risiken aus Sicht des Wissensmanagements

  1. Boris Jäger

    Hallo Herr Koller,
    meiner Ansicht nach sind Wissensrisiken und Wissensbarrieren Synonyme oder sehe ich das falsch.
    Warum nun Wissensbarrieren, die im Gegensatz zu Wissensrisiken in der Literatur zur Genüge behandelt wurden, nun auf einmal Wissensrisiken werden mag daran liegen, dass das Thema Risikomanagement momentan im Trend liegt.
    MfG
    Boris Jäger

  2. Stefan Koller

    Hallo Herr Jäger,
    Danke für Ihr Kommentar. Ich kann mich da Ihrer Meinung nicht ganz anschließen, da für mich Wissensbarrieren nicht gleich Wissensrisiken sind. Ich würde Wissensbarrieren als „Barrieren, die eine Induktion von Wissen teilweise oder vollständig behindern“ definieren.
    Somit sehe ich Wissensbarrieren als mögliche Vorbedingung für das Entstehen bzw. das Eintreten von Wissensrisiken.
    Mit anderen Worten gesagt, meiner Meinung nach können dann Wissensrisiken „relevant“ werden, wenn zuvor Wissensbarrieren existieren, die die Übermittlung von Wissen in Wissensprozessen/-flüssen behindern.
    Eine Barriere ist der Auslöser, das Risiko beschreibt das mögliche, zu erwartende Ergebnis…
    Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, das Thema Risikomanagement ist aktuelle in aller Munde. Trotz alledem glaube ich, dass das traditionelle Risikomanagement eine sehr enge und ungenügende Sichtweise auf Risiken hat.
    Wie im Artikel beschrieben, versuche ich in meiner Definition nicht nur Wissensrisiken aufgrund von Störungen im Wissensfluss zu definieren, sondern sie abhängig zu machen von der Art und dem Einsatz des Wissens im Unternehmen.
    MfG,
    Stefan Koller

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