2. Spezifische Lösungen für KMU
Es ist eigentlich paradox, dass Wissensmanagement in mittelständischen Unternehmen auf so relativ geringe Resonanz stößt. Eigentlich müsste es doch die Paradedisziplin des Mittelstands sein, dessen Wertschöpfung stark durch personale Arbeit dominiert wird, und dessen Wettbewerbsfähigkeit entscheidend vom Service am Kunden abhängt. Man könnte sogar einmal die These in den Raum stellen, drei Viertel des betrieblichen Vermögens sind personengebunden (siehe dazu auch die nachfolgende Abbildung).
Auf jeden Fall ist eine Antwort auf die Frage nach KMU-spezifischen Ansätzen sehr heikel. Wie Sie in den vorangehenden Beiträgen gesehen haben, gibt es zwar durchaus einige typische Merkmale, aber diese variieren natürlich innerhalb des mittelständischen Sektors gewaltig, je nach Branche, Unternehmensgröße, Führungsstruktur usw. Deswegen kann man auch nur einige Kriterien angeben, die von der Tendenz her alle oder zumindest überwiegend erfüllt sein müssen, um Mittelständler dort ansprechen zu können, wo sie der Schuh wirklich drückt:
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objektiv bestehende Defizite in den KMU
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KMU haben diese Defizite als solche auch erkannt
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erste Lösungsansätze können punktuell eingeführt werden und beanspruchen die Geschäftsführung nicht übermäßig
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es können relativ schnell sichtbare Erfolge erzielt werden, die sich möglichst irgendwo auf einer Ausgangsrechnungen niederschlagen.
3. Bevorzugte Anwendungsfelder
Wenn man die o.g. vier Kriterien zugrundelegt und zudem noch eine „wissensmanagement-spezifische“ Lösung anbieten will, sollte meines Erachtens der Schwerpunkt zunächst auf die Bereiche „Wissensbewahrung und -nutzung“ sowie „Schnittstelle zum Kunden“ gelegt werden. Exemplarisch seien hier einige Anwendungsfelder genannt:
1 Wissensbewahrung
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erfolgreiche Lösungsverfahren werden nicht dokumentiert und gehen im Laufe der Zeit für das Unternehmen wieder verloren
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Mitarbeitererfahrungen werden nicht systematisch erfasst, um diese an andere weitergeben zu können
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Kundenwissen wird nicht dokumentiert und allen relevanten Mitarbeitern zugänglich gemacht; es steht damit nur punktuell zur Verfügung
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Personalabgänge führen zu einem unwiederbringlichen Know-how-Verlust
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bei Fehlzeiten einzelner Mitarbeiter kann es zu gravierenden Betriebsstörungen kommen
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speziell das Projektwissen wird nicht dokumentiert und lässt sich damit nicht auf die Projekte anderer Mitarbeiter ohne weiteres übertragen
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es kommt zu Doppelarbeiten, weil Lösungsfortschritte eines Mitarbeiters oder einer Arbeitsgruppe bei vergleichbaren Problemstellungen anderen Mitarbeitern oder Arbeitsgruppen nicht bekannt sind.
2 Service am Kunden
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Verfügbarmachung des gesamten relevanten Unternehmenswissen für die Kundenberatung oder Kundenakquise (speziell für Vertriebsmitarbeiter, Außendienstmitarbeiter im Service und Call Center)
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gemeinsame Ausarbeitung neuer Servicekonzepte bzw. Verbesserung der Prozesse in der Kundenbetreuung.
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Dazu kommen noch die klassischen Themen:
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systematische Strukturierung und Verfügbarmachung von Informationsquellen im Unternehmen
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Förderung des interaktiven Wissensaustausches (z. B. Einrichtung von communities of practice, Café-Ecken usw.)
Schlussfolgerungen:
Der Ansatz für Wissensmanagementprojekte für KMU beginnt bereits vor dem Projektstart, nämlich bei der Ansprache und Aktivierung der Mitarbeiter. Und um sichtbare Erfolge zu erzielen, muss man sich auf die allgemeinen Erfolgsfaktoren für Wissensmanagementprojekte im Hinblick auf die spezifischen Voraussetzungen in KMU konzentrieren. Bestimmt gibt es keine Lösung, für die gilt: One fits all. Wie eine konkrete Umsetzung aussehen kann, zeige ich in den nächsten Beiträgen anhand einiger exemplarischer Beispiele.