Wissensabfluss in Unternehmen – ein Wissensrisiko?

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Im folgenden Beitrag möchte ich einen Fachartikel zum Thema „Wissensrisiken durch Personalfluktuation“ zusammenfassen und kritisch diskutieren. Die beiden Autoren des Fachartikels, Gilbert Probst und Birgit Knaese, beschreiben in ihrer Arbeit „Wissensorientiertes Management der Mitarbeiterfluktuation“ [PK01] eine Methode zur Reduzierung personeller Wissensrisiken.

Probst und Knaese beginnen ihren Artikel mit einem pragmatischen und v.a. beeindruckenden Beispiel dafür, welche Folgen ein Abgang von Wissensträgern für ein Unternehmen haben kann. Sie zitieren eine Meldung der Süddeutschen Zeitung [SZ00], worin über die Ereignisse im Jahr 2000 berichtet wird, als die Deutsche Bank mit dem New York City Retirement System ihren größten Kunden verlor. Als Grund für den Abzug des Kunden wurde genannt, dass Top-Fondsmanager der Deutschen Bank kurz zuvor zu einem andern Bankhaus gewechselt waren. Der New Yorker Pensionsfonds wechselte mit den Fonds-Managern zur Konkurrenz. Nach und nach gingen dann noch weitere Kunden der Deutschen Bank an Mitbewerber verloren.

Dieses illustrative Beispiel sollte zeigen, dass in vielen Wirtschaftsbranchen ein Großteil des wettbewerbsrelevanten Wissens personengebunden ist und somit die Mitarbeiter die zentralen Wissensträger in einem Unternehmen darstellen. Probst und Knaese erwähnen noch weitere Studien, die belegen, dass sich nur ein kleiner Teil der Unternehmen über deren interne Fluktuationsraten Gedanken machen und nur 16% der untersuchten Firmen ihre zentralen Wissensträger identifiziert hatten.

Im Mittelpunkt des Artikels steht eine Methode zum „wissensorientierten Fluktuationsmanagement“, die es ermöglichen soll, personelle Wissensrisiken sichtbar und mögliche Folgen kalkulierbar zu machen, um auf diese Weise unerwünschte Wissensverluste durch den Weggang zentraler Wissensträger, mittels geeigneter Maßnahmen frühzeitig verhindern oder eindämmen zu können. Diese Methode beinhaltet im Groben die folgenden Schritte:

  • Identifikation des relevanten Wissens und der zentralen Wissensträger Im Rahmen einer qualitativen Vorstudie werden die relevanten Wissensbereiche und Wissensträger ermittelt. Relevante Wissensträger sind diejenigen Personen in einem Unternehmen, die einen Großteil des wettbewerbsrelevanten Wissens in sich vereinen. Die Erhebung der Wissensträger erfolgt einerseits „ex ante“ im Zuge von Interviews mit Vorgesetzten und andererseits „ex post“ durch eine Mitarbeiterbefragung.
  • Risikoanalyse Eine Analyse der Risiken erfolgt nach der Identifikation der Wissensträger. Es wird versucht sog. Wissensträger „at risk“ zu identifizieren. Ein Mitarbeiter ist dann „at risk“, wenn für ihn eine hohe Kündigungsabsicht besteht, bzw. diese zu erwarten ist. Die Fluktuationsneigung dient hierbei als Indikator für das Gefahrenpotential.
  • Maßnahmen und Instrumente zur Risikoreduzierung Auf Basis der Risikoanalyse werden Handlungsempfehlungen für die Gruppe der Wissensträger „at risk“ formuliert. Diese Empfehlungen werden in einem Handlungsportfolio abgebildet und priorisiert. Es wird versucht, Schwächen zu bekämpfen und Ansatzpunkte für die Reduzierung der Fluktuationsneigung zu finden.

Die obig beschrieben Schritte zum „wissensorientierten Fluktuationsmanagement“ sollten regelmäßig durchlaufen werden um ein Wirken dieses Prinzips langfristig zu sichern.

Wie ich in meinem Beitrag „Wissensrisiken – Risiken aus Sicht des Wissensmanagements“ schon kurz erwähnt habe, bin ich der Ansicht, dass diese von Probst und Knaese vertretene Sichtweise auch Wissensrisiken sehr eng gefasst und einseitig scheint. Das von ihnen skizzierte Risikopotential gehört bestimmt auch mit zu dem Kreis der Wissensrisiken, jedoch scheinen in dem hier beschriebenen Ansatz zu humanzentriert definiert zu sein. Es fehlt die Ausweitung auf den Risikofaktor „Einsatz von Wissen“. Zwar unterscheiden die beiden Autoren zwischen personellen und organisatorischen Wissensrisiken [PK98], doch liegt der Fokus hauptsächlich auf dem Verlust bzw. dem Abgang von personengebundenem Wissen. Unter personellen Wissensrisiken verstehen Sie Risiken, die aus der Neueinstellung, dem Einsatz, der Ausbildung oder dem Abgang von Mitarbeitern resultieren. Organisatorische Wissensrisiken hingegen bezeichnen die Gefahr, dass die organisatorischen Prozesse und Strukturen zu einem Verlust an Wissen führen.

Es stellt sich für mich jedoch die Frage, ob nicht noch andere Arten des Wissensverlustes bzw. des Fehlens von handlungsrelevantem Wissen risikobehaftet sein kann? Es folgt für mich daraus eine Ausweitung dieses Wissensrisiko-Ansatzes auf eine systemische Ebene. In dieser Ebene sind für mich besonders der Einsatz und der Fluss von handlungsrelevantem Wissen und deren systemische Unterstützung maßgeblich.

Literatur:

[PK98] Probst, Gilbert J.B.; Knaese, Birgit: Risikofaktor Wissen, Dr. Th. Gabler Verlag, 1998 Link [PK01] Probst, G., Knaese, B.: Wissensorientiertes Management der Mitarbeiterfluktuation, in: zfo, 70, 1, 2001, S. 35-41 Link [SZ00] o.V.: Deutsche Bank verliert in USA größten Kunden. In: Süddeutsche Zeitung: Nr. 57, 56. Jg., 9. März 2000, S. 29.