Im Rahmen meiner Dissertation zum Thema „Transfer Between Universities and Industry“ habe ich mich natürlich auch mit bereits veröffentlichter Literatur auseinandergesetzt. Und hier im speziellen zum Themenbereich Barrieren bzw. Motivatoren. Es existiert in diesem Bereich ja schon einiges, speziell von US amerikanischen AutorInnen, aber auch aus Deutschland und vereinzelt auch aus Österreich.
Im Wesentlichen werden auch immer wieder dieselben bzw. ähnliche Faktoren angeführt wie Größe bzw. Branche, wobei ich hier gleich anmerken möchte, daß solche Ergebnisse hinterfragt werden müssen. Nehmen Sie ein kleines Unternehmen, ein forschungsintensives start-up, gegründet von bspw. ehemaligen UniversitätsassistentInnen. Sie können darauf wetten, daß diese Art von Unternehmen, obwohl klein, ein sehr hohes Ausmaß an Beziehungen und Kontakten mit Universitäten, aber auch anderen Forschungseinrichtungen unterhält.
Die nachfolgende Aufzählung zeigt auszugsweise die aufgrund der Literaturstudien identifizierten Faktoren für Unternehmen sowie Universitäten.
Einige dieser Faktoren sind bewußt steuerbar, relativ unabhängig vom Umfeld. Andere wiederum sind das Resultat von verschiedenen Einflußgrößen. Jedes Unternehmen bzw. jede Universität muß für sich selbst den richtigen Weg identifizieren und dementsprechend handeln. Die klare Strategie in Bezug auf Transferbeziehungen ist das Um und Auf und prägt auch die nachfolgenden Aktivitäten.
Unternehmen
Kultur des Unternehmens: Eine offene und „durchlässige“ Unternehmenskultur wird als sehr wichtig für den Erfolg von Transfer angesehen. Nur so kann auch sicher gestellt werden, daß externe Ergebnisse auch im Unternehmen diskutiert und angewendet werden. Wesentlich in diesem Zusammenhang ist auch der Balanceakt zwischen der notwendigen Weitergabe von Wissen. Vorab sollte also das Wissen, das letztendlich für den Erfolg des Unternehmens entscheidend ist, identifiziert werden und Klarheit darüber gewonnen werden, wie dieses Wissen am Besten geschützt werden kann. Das hängt auch zusammen mit dem generellen Verhalten in Bezug auf das Schützen von Ideen bzw. Erfindungen. Unternehmen, die aktiv im Bereich Patentierung/Lizenzierung tätig sind, müssen bspw. Informationsrecherchen machen, um zu wissen, wer in diesem Gebiet sonst noch tätig ist. Diese Tätigkeiten führen wahrscheinlich auch dazu, daß solche Unternehmen aktiver als andere mit entsprechenden Wissensquellen wie Universitäten kooperieren.
Geschäftsbereich(e): Es geht nicht darum, in bestimmten Branchen tätig zu sein, sondern vielmehr darum, dass high-tech bzw. high-standards angewendet werden. Gute Beispiele sind Ikea bzw. Hofer. Beide Unternehmen sind nicht in sog. High-tech Branchen tätig, verstehen es aber, auch in sog. Low-tech Branchen (Möbel bzw. Handel) durch innovative Geschäftsmodelle erfolgreich am Markt zu bestehen.
Größe: Wie schon eingangs erwähnt ist die Größe eines Unternehmens nur bedingt verwendbar für Aussagen. Besonders mit der wachsenden Zahl von spin-offs von Universitäten ist hier eine neue Gruppe von Unternehmen entstanden, die mit keiner der bisherigen wirklich vergleichbar ist. Das bedeutet auch, daß neue Maßnahmen ergriffen werden müssen, um diese im Wachstum und Performance zu unterstützen.
Einstellung des Managements: Neben guter Kommunikationsfähigkeit und offener Einstellung bzgl. Kooperationen sollte das Management auch einen guten Draht zu den MitarbeiterInnen haben und ihnen überzeugend kommunizieren, warum Kooperationen mit Externen wichtig sind. Wichtig ist auch, dass die Kriterien, die zur Beurteilung verwendet werden, auch Tätigkeiten wie Einleiten von Kooperationen etc. unterstützen und nicht ausschließlich kurzfristige Erfolge als Maßstab gelten.
MitarbeiterInnen: Hohe Qualifikation, Erfahrungen als MitarbeiterInnen an Universitäten und Erfahrung mit Kooperationen helfen. Transferbeziehungen brauchen Zeit. Speziell Aktivitäten wie die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern bzw. das Besprechen von möglichen Projekten ist noch an keinen meßbaren Erfolg gekoppelt. Trotzdem sind diese Phasen von entscheidender Bedeutung für den zukünftigen Erfolg. Hier ist es wichtig, entsprechende Ressourcen freizugeben.
Standort: Viele Untersuchungen zeigen, dass der Standort eine entscheidende Rolle spielt. Je näher an der Wissensquelle desto besser, wobei hier bemerkbar ist, daß bereits transfererfahrene Unternehmen auch in der Lage sind, geographisch weiter entfernte Quellen zu nutzen. Regional nahe Einrichtungen dienen hier sozusagen als Brücke und Starthelfer für Unternehmen.
Absorptionsfähigkeit: Die Fähigkeit, das Wissen aufzunehmen, wird von mehreren Faktoren beeinflusst, unter anderem der Qualifikation der MitarbeiterInnen, der Prozesse im Unternehmen und dem Kontext bzgl. des zu transferierenden Wissens. Am besten scheint es, wenn sich das neue Wissen nicht radikal vom bestehenden unterscheidet.
Universitäten
Anteil von DrittmittelmitarbeiterInnen (im Verhältnis zur Grundfinanzierung): Ein größerer Anteil von DrittmittelmitarbeiterInnen zeigt auf der einen Seite den Erfolg von Universitäten beim Akquirieren von Drittmitteln. Andererseits ist aber auch davon auszugehen, dass Universitäten und hier insbesondere Institute versuchen, diese Personen auch länger zu halten. Dies gelingt aber dann i. d. R. nur, wenn neue Quellen angezapft werden. Das bedeutet aber im Gegenzug auch, das unter einer solchen Prämisse Fächer, welche nicht die entsprechenden Mittel einbringen, Gefahr laufen, unterfinanziert zu werden. Dies betrifft insbesondere Fächer, die die Grundlage für nachfolgende Spezialisierungen bilden und somit für eine Volkswirtschaft insgesamt von besonderer Bedeutung sind, aber eben für einzelne Unternehmen nicht.
Alter und Ausbildungsstand der ForscherInnen: Über das Alter der ForscherInnen und deren Ausbildung ist es nicht so einfach, eine Prognose abzugeben. Manche meinen, eher junge ForscherInnen sind offener für Kooperationen zwischen Universitäten und der Industrie. Andere wiederum sagen nicht zu Unrecht, dass speziell jüngere ForscherInnen am Anfang ihrer Karriereleiter stehen und diese an Universitäten ja nach dem Motto „publish or perish“ gemessen werden. Zusätzlich darf nicht das Netzwerk älterer, erfahrener KollegInnen vergessen werden, dass Tür und Tor öffnen kann. In der Literatur wird oft auch zwischen sog. spanners und eben nicht-spanners unterschieden. Spanners sind solche, die interessiert an industriellen Anwendungen ihrer Forschungsergebnisse sind, die überdurchschnittliche Kommunikationsfähigkeiten aufweisen, oft einen industriellen beruflichen Background haben und auch innerhalb ihrer Universität gute Kontakte zu KollegInnen haben. Je mehr spanners, desto größer sollte also auch der Wissenstransfer mit der Industrie sein.
Gastvorlesungen: In einem Artikel zum Erfolg des MIT wird die Bedeutung von Gastvorlesungen von KollegInnen aus der Industrie hervorgehoben. Diese können als Multiplikatoren für die Universität wirken, bringen Universitäten Vertrauen für die unterschiedliche Sichtweise entgegen und (Wissenstransfer ist keine Einbahnstrasse) bringen praktische Erkenntnisse und Fragestellungen ein.
Richtlinien und Regeln: An US amerikanischen Universitäten ist es mittlerweile selbstverständlich, dass MitarbeiterInnen Unterstützung bzw. Beratung in Fragestellungen wie Ethik, conflicts of interests and commitment und dgl. bekommen bzw. ein Regelwerk zur Verfügung haben, das die generelle Linie der Universität für die MitarbeiterInnen vorgibt. Österreichische Universitäten haben hier noch nichts Vergleichbares. Mehr Regeln muss nicht mehr Wissenstransfer bedeuten, kann aber durch entsprechende Klarheit evtl. Missbrauch entgegenwirken und dadurch auch für mehr Transparenz sorgen.
Respekt für die Leistungen der Industrie: Es ist wichtig, die Industrie als Partner anzusehen. Das bedeutet, eine Kooperation und Zusammenarbeit sollte auf derselben Augenhöhe stattfinden. Industrie verfolgt andere Ziele als Universitäten, was aber nicht zwangsläufig was Schlechtes bedeutet.
Organisation und Struktur: Universitäten sind deutlich anderes strukturiert und geregelt als Unternehmen. Ein Organigramm alleine bringt das nicht zum Ausdruck, aber die Bedeutung der einzelnen Institute und Abteilungen innerhalb der Organisation Universität ist wohl der augenscheinlichste Unterschied. Universitäten und der Erkenntnisfortschritt lebt von der Dezentralisierung, was aufgrund der hohen Spezialisierung notwendig ist. Interdisziplinarität, wie von der Industrie gefordert, ist im Entstehen. Unternehmen, besonders solche die mit mehreren Instituten zusammenarbeiten, sind gezwungen, mit verschiedenen Personen immer wieder dieselben Sachen auszuhandeln. Die Liste ließe sich noch weiter führen. Zentrale Einheiten und Rahmenverträge können Abhilfe schaffen, wenn sie auf Besonderheiten Rücksicht nehmen.
Kultur und Werte: Das wurde schon vorher kurz angeschnitten. Die Kultur an einer Universität ist grundverschieden im Vergleich zu einer Unternehmenskultur. An den Universitäten geht es primär um die Wissensteilung, um das Veröffentlichen, um Unterstützung von KollegInnen, um die Diskussion von Ergebnissen etc. Unternehmen sind in der Regel darauf bedacht, Ergebnisse nur soweit als möglich bekannt zu geben, um spill over Effekte zu vermeiden. Das wird oft als eine Barriere gesehen, von beiden Seiten. Hier ein richtiges Mittelmaß zu finden, ist schwer und kann wohl nur situativ entschieden werden.
Geographische Lage: Universitäten leben von ihrer Region, die Regionen leben von ihren Universitäten. Viele regionale Unternehmen arbeiten eng mit den Universitäten in ihrer unmittelbaren geographischen Nähe zusammen und sorgen somit für eine gewisse Grundauslastung. Aber umgekehrt versorgen die Universitäten diese Unternehmen mit oft einzigartigem Know-how, in den meisten Fällen in Form von AbsolventInnen. Die gegenseitige Befruchtung kann Formen annehmen wie die Route 128, Silicon Valley oder eben der Automobilcluster Styria.
Forschungsgebiete: Technische Universitäten hatten naturgemäß mehr Anknüpfungspunkte mit der Industrie als klassische Universitäten. Das wird sich auch in der Zukunft nicht wesentlich ändern. Industriell mittelbar anwendbare Forschungsergebnisse ziehen einfach auch zahlende Käufer nach sich. Diese müssen aber auch auf fruchtbaren Boden stoßen, d. h. brauchen Abnehmer in der Industrie, die diese umsetzen können und wollen.
Transferrelevante zentrale Einrichtungen und Unterstützungen: Eine Kollegin der University of Utah in den USA meinte, sie hätten eigentlich wenige zentrale Unterstützungsleistungen für ihre KollegInnen, weil diese ohnehin schon sehr viele Kontakte mit der Industrie pflegen und jede weitere Maßnahme, die hier unterstützend wirkt, nur mehr Belastung für die MitarbeiterInnen bedeuten würde. Andere Universitäten hingegen wie MIT haben zahlreiche zentrale Einrichtungen wie Transfer Office, Industrial Liaison Office, Industrial Sponsoring, Licensing Office, Recruiting Office etc. Das MIT sorgt im Gegensatz zur University of Utah nicht dafür, dass die ForscherInnen nicht mehr Drittmittelaktivitäten haben, sondern dass ihre MitarbeiterInnen, wenn sie noch mehr akquirieren, weniger administrative Aufgaben und Lehrtätigkeiten übernehmen müssen. Eine gänzlich andere Strategie!
Extrinsische Motivation: In einer Publikation zum Vergleich von Wissenstransferaktivitäten in Deutschland und den USA betonten die Autoren, dass WissenschafterInnen in den USA oft für nur 9 Monate von den Universitäten bezahlt werden und den Rest über Drittmittelaktivitäten hereinholen müssen. In Deutschland (wie auch in Österreich) hingegen gelten andere Regeln. Das stimmt, wenn man drittmittelfinanzierte MitarbeiterInnen außer Acht lässt. Auch das vorher angeführte Beispiel vom MIT und der Übernahme administrativer Bürden passt hier rein.
Institute: Bei Instituten wird oft die Größe als Eigenschaft betont, wobei hier größere Institute im Wissenstransfer die Nase vorn zu haben scheinen. Das ist das Ergebnisse einer Studie von österreichischen KollegInnen. Leider wurde hierbei nicht das Verhältnis der Grund- zur Drittmittelfinanzierung betrachtet, wodurch die Aussagen schwer zu interpretieren sind. Ein größeres Institut ist aber wahrscheinlich bevorzugt durch notwendige Strukturen und entsprechendem Formalismus, was einer Zusammenarbeit entgegenkommt. Ebenso wichtig erscheint die Struktur am Institut, d.h. die Managementebenen und der operative Staff. Ein Institut, das hauptsächlich mit Personen besetzt ist, die von vorn herein wissen, daß sie nach 4 Jahren wechseln müssen, wird weniger Drittmitteleinnahmen aufweisen als Institute mit ausgeprägten organisatorischen Strukturen, die das Akquirieren von Projekten als Teil ihrer Aufgabe sehen.
Studierende und AbsolventInnen: Studierende und AbsolventInnen sind das Herzstück jeder Universität und wurden in der Vergangenheit sträflich vernachlässigt. Gerade diese Gruppen haben das Potenzial als Werbeträger für ihre Alma Mater zu fungieren und durch ehemalige Kontakte auch Forschungsprojekte oder Praktika einzuleiten. Nach dem Vorbild der US amerikanischen Universitäten wurden nun auch an österreichischen Universitäten entsprechende Alumni Verbände eingerichtet, die dieses Manko beheben sollen.
Management und Strategie: Wie in Unternehmen hat auch das Managementteam von Universitäten einen entscheidenden Einfluss auf den Wissenstransfer. Es fängt an mit Lippenbekenntnissen und Vorgaben und endet bei der Zuteilung der notwendigen budgetären Mittel, die einen Aufbau und die Zurverfügungstellung entsprechender Leistungen zur Erreichung der Ziele ermöglichen.