In meinem Beitrag vom 30.10.2004 habe ich angekündigt, dass ich ein Gestaltungsmodell präsentieren werde, welches die monetäre Bewertung immaterieller Werte erlaubt.
Das nunmehr vorliegende Gestaltungsmodell ist Ergebnis eines über zweijährigen Forschungsprojektes an der Technischen Universität Graz und wurde im Rahmen einer Dissertation abgehandelt, welche als Buch und als Download verfügbar ist.
Der vorliegende Artikel git einen ersten Einblick in die Methodik des Gestaltungsmodells, welche im Rahmen einer empirischen Untersuchung einem ersten Praxistest unterzogen wurde.
Das Gestaltungsmodell hat den Namen
„wissensorientiertes Finanzmanagement“. Mit dieser Bezeichnung wird auf die zwei wesentlichen Herausforderungen reflektiert, vor denen das Finanzmanagement im Wissenszeitalter steht (siehe auch mein Beitrag vom
30.10.2004):
1. Der
Erklärungswert der klassischen (Finanz-) Bilanz nimmt ab, weil wesentliche Werte im Unternehmen – nämlich die immateriellen (und nicht sichtbaren) Werte – nicht berücksichtigt werden. Das Finanzmanagement braucht also neue Systeme!
2. Im Wissenszeitalter bekommt die
Ressource „Wissen“ eine immer größere Bedeutung. Waren es im Industriezeitalter materielle Ressourcen, so sind es heute und in Zukunft wissensbasierte Strategien auf Basis immaterieller Werte, die die (finanzielle) Zukunft von Unternehmen prägen. Das Finanzmanagement muss in den Strategieprozess eingebunden werden!
Auf beide Herausforderungen geht das Gestaltungsmodell (=Managementansatz) eines wissensorientierten Finanzmanagements ein.
Sämtliche Details sind in meiner Dissertation (als Gratis-Download unter
http://www.wm-forum.org/dissertationen.htm und als Buch verfügbar) nachzulesen. Hier sind nur die wichtigsten Eckpunkte herausgenommen:
Hypothesen, die dem Gestaltungsmodell unterstellt sind
- Trennung zwischen der strategischen Ebene und der operativen Ebene durch die Einführung von zwei getrennten Informationssystemen
- Das strategische Informationssystem liefert Informationen für die strategische Unternehmensführung, also für die Erhaltung bestehender und Schaffung neuer Erfolgspotenziale
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- Die operative Informationssystem liefert Informationen für die operative Unternehmensführung, also für die unmittelbare Erfolgserzielung. Diese Informationen sind beispielsweise die klassischen Kennzahlen der Finanzbilanz.
- Das Erfolgspotenzial als Orientierungsgrundlage für die strategische Unternehmensführung besteht aus Ressourcen. Ressourcen sind theoretische Konstrukte, können durch Indikatoren indirekt gemessen werden. Es gibt materielle und immaterielle Ressourcen. Die immateriellen bestehen aus externen und internen Strukturen und der Kompetenz der Mitarbeiter.
- Das Wissen über das Erfolgspotenzial ist unstrukturiert und unvollständig in den Köpfen des Managements vorhanden. Das Erfolgspotenzial ist ein komplexes System mit ebenso komplexen Ursache- Wirkungsbeziehungen.
- Der Unternehmenswert ist die monetäre Entsprechung des Erfolgspotenzials.
Aufbau des Gestaltungsmodells
Das Gestaltungsmodell wird in Form der prozessorientierten und der systemorientierten Betrachtung gezeigt.
Die prozessorientierte Sicht die relevanten Abläufe. Die kreisorientierte Darstellung verdeutlicht die iteative Vorgehensweise im Gestaltungsmodell: Dadurch können Fehleinschätzungen korrigiert werden.
Die systemorientierte Betrachtung zeigt die Systemelemente und deren Zusammenspiel.
Kernstück des Gestaltungsmodells
ist das strategische Informationssystem. Mittels zwei Kennzahlen (ri,1 und ri,2) werden die Ressourcen gesteuert.
ri,1 nimmt einen Wert zwischen 0 und 1 an und wird in der so genannten „Einflussmatrix“ (auch Vester-Matrix) ermittelt und kennzeichnet die
Bedeutung der jeweiligen Ressource im Gesamtsystem aller Ressourcen. ri,1 dient auch zur monetären Bewertung der Ressourcen (und damit auch der immateriellen Ressourcen bzw. der immateriellen Werte).
ri,2 nimmt ebenfalls einen Wert zwischen 0 und 1 an und kennzeichnet die jeweilige „
Umsetzungsvoraussetzung“ der Ressource und stellt sozusagen das Bindeglied zur operativen Unternehmensführung her. Unter „Umsetzungsvoraussetzung“ werden die momentan für die jeweilige Ressource vorherrschenden Voraussetzungen verstanden, die Ressource in einen (finanziell sichtbaren) Erfolg umzuwandeln. 0 bedeutet, die Ressource muss erst aufgebaut werden, 1 bedeutet, die Ressource wurde bereits erfolgreich eingesetzt und die Strukturen zu ihrer Umsetzung sind noch vorhanden.
Mittels beider Kennzahlen (ri,1 und ri,2) können
Schwerpunkte für die Strategie abgeleitet werden: Hat eine Ressource nämlich einen hohen Wert bei ri,1 (Bedeutung der Ressource im Gesamtsystem der Ressourcen) und gleichzeitig aber ein niedrigen Wert bei ri,2 (Umsetzungsvoraussetzungen), so ist dies ein Hinweis für den Schwerpunkt der strategischen Bemühungen. Diese Schwerpunktsetzung hat auch
Auswirkungen auf die zukünftigen operativen Kennzahlen der (Finanz)-Bilanz, da sich aus einer Strategie finanzielle Annahmen ableiten lassen.
Das vorgestellte Gestaltungsmodell aus folgenden Gesichtspunkten eine Neuigkeit
- Integrierte Berücksichtigung der operativen und strategischen Perspektive in einem Gestaltungsmodell.
- Durch das wissensorientierte Design wird der Wissensaustausch zwischen dem Finanzmanagement und dem übrigen Management bewusst gefördert.
- Durch die iterative Vorgehensweise in der prozessorientierten Darstellung wird der Lernprozess im Management ermöglicht und dadurch wird die Qualität der Aussagen über die (finanzielle) Zukunft sukzessive verbessert.
- Möglichkeit der monetären Bewertung der immateriellen Werte durch die bewusste Verwendung einer Methodik des Komplexitätsmanagements (Sensitivitätsmodell – Vestermatrix).
Die Praxistauglichkeit wurde an Hand einer empirischen Untersuchung an einem realem Unternehmen getestet. Der Praxistest war erfolgreich!
Der Autor freut sich auf eine rege Diskussion über diesen neuen Vorschlag eines Gestaltungsmodells zur monetären Bewertung immaterieller Werte.